Latente Steuern: einfach erklärt

Unternehmen fertigen für den jährlichen Konzernabschluss eine Steuerbilanz und eine Handelsbilanz an. Aus beiden Bilanzen ergibt sich ein Steueraufwand, der unterschiedlich hoch ausfallen kann.

Um diesen Unterschied auszugleichen, können Unternehmer latente Steuern in der Handelsbilanz aufführen. Die rechtliche Grundlage für latente Steuern ist der Paragraf 274 im Handelsgesetzbuch, HGB.

Warum latente Steuern?

Aus der Steuerbilanz ergibt sich der effektive Steueraufwand, der tatsächlich an das Finanzamt überwiesen werden muss. Aus der Handelsbilanz ergibt sich ein Gewinn, für den ein fiktiver Steueraufwand berechnet wird.

Der fiktive und der effektive Steueraufwand stimmen im besten Fall überein. Besteht ein Unterschied, ist dieser meist auf die Bilanzierungsvorschriften zurückzuführen. Diese unterscheiden sich bei beiden Bilanzen und sorgen dafür, dass gleiche Posten in unterschiedlicher Höhe bilanziert werden. Mit latenten Steuern wird der Unterschied ausgeglichen.

Im Rechnungswesen wird zwischen aktiven latenten Steuern und passiven latenten Steuern unterschieden.

Aktive latente Steuern

Aktive und passive Steuern sind „Sonderposten eigener Art“ und müssen auch als solche in der Bilanz aufgeführt werden. Aktive latente Steuern bedeuten für einen Unternehmer eine zukünftigen Steuervorteil. Sie kommen zustande, wenn die Handelsbilanz geringere Aktiva oder höhere Passiva als die Steuerbilanz aufweist.

Beispiel

Die Bäckerei Müller hat im Dezember bei einem Lieferanten einen neuen Backofen bestellt und bezahlt. Dieser soll allerdings erst nach dem Jahresabschluss im März geliefert werden. Weil der Produzent mit einigen Problemen zu kämpfen hat, wird der Bäckerei mitgeteilt, dass sie im schlimmsten Fall Zusatzkosten von 25.000 Euro übernehmen muss.

Die Buchhaltung der Bäckerei nimmt eine Drohverlustrückstellung in die Buchhaltung auf. Diese muss nach HGB in der Handelsbilanz aufgeführt werden. In der Steuerbilanz darf sie nach Einnahmensteuergesetzbuch allerdings nicht auftauchen. Damit besteht eine Differenz zwischen den beiden Bilanzen. Die Passivseite der Handelsbilanz ist größer als die Passivseite der Steuerbilanz – es liegen aktive latente Steuern vor.

Berechnung: Um die aktiven latenten Steuern zu berechnen, wird die Differenz, in unserem Fall 25.000 Euro, als Grundlage genommen und mit dem vorliegenden Steuersatz multipliziert.

Wahlrecht bei Überhang

Ob du aktive latente Steuern anwendest, ist dir überlassen. Es besteht ein Wahlrecht, dass es ermöglicht, die aktiven latenten Steuern in die Bilanzierung einzubeziehen. Aktive latente Steuern müssen nach §266 Abs. 2 D auf der Aktivseite der Bilanz eingetragen werden.

Passive latente Steuern

Es handelt sich um passive latente Steuern, wenn die fiktiven Steuern aus der Handelsbilanz, die effektiven Steuern aus der Steuerbilanz übersteigen. Ist dies der Fall, ist auch der handelsrechtliche Gewinn höher als der steuerrechtliche. Passive latente Steuern entstehen, wenn die Aktiva der Handelsbilanz größer oder die Passiva kleiner sind als bei der Steuerbilanz. Sie müssen bilanziert werden. Passive latente Steuern müssen nach §266 Abs. 3 E auf der Passivseite der Bilanz eingetragen werden.

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Die drei Differenzierungen latenter Steuern

Wer sich mit der Festsetzung latenter Steuern beschäftigt, muss auch wissen, welche Differenzen es gibt. Denn die Differenzen, die am Ende zwischen den Bilanzen bestehen, müssen nicht dauerhaft sein. So kann es beispielsweise sein, dass sie sich irgendwann wieder ausgleichen.

1. Zeitlich begrenzte Differenzen

Die aktuell vorliegende Diskrepanz zwischen den beiden Werten gleicht sich in einer absehbaren Zukunft aus. Das ist zum Beispiel der Fall bei Sachanlagen, die in der Handelsbilanz zu 100 Prozent aufgeführt werden dürfen, in der Steuerbilanz allerdings nur als Abschreibung zu einem gewissen Teil auftauchen.

Beispiel Fuhrpark: Dieser kostet ein Unternehmen 100.000 Euro und wird über 10 Jahre zu gleichen Teilen linear abgeschrieben. In der Handelsbilanz tauchen im ersten Jahr 100.000 Euro in den Aufwendungen auf. In der Steuerbilanz tauchen über zehn Jahre jährlich 10.000 Euro in den Abschreibungen auf. Nach zehn Jahren haben sich die beiden Beträge ausgeglichen.

2. Quasi-permanente Differenzen

Hier ist ebenfalls klar, dass sich die Differenz wieder ausgleicht. Allerdings ist nicht klar, wann dieser Ausgleich stattfindet. Das ist zum Beispiel bei der Sonderabschreibung auf ein Grundstück der Fall. Diese gleicht sich erst wieder aus, wenn das Grundstück verkauft wird. Wann das geschehen wird, ist allerdings noch nicht klar.

3. Permanente Differenzen

Diese Differenzen werden sich nicht mehr ausgleichen. Das kann zum Beispiel vorkommen, wenn Posten einbezogen werden, die im Einnahmesteuergesetzbuch und im Handelsgesetzbuch unterschiedlich behandelt werden.

Das beispielsweise der Fall bei Aufsichtsratsvergütungen. Diese dürfen in der Handelsbilanz zu 100 Prozent als Betriebsausgaben aufgeführt werden. In der Steuerbilanz dürfen sie allerdings nur zu 50 Prozent als Ausgabe bilanziert werden. Die Diskrepanz wird sich niemals ausgleichen.

Latente Steuern feststellen

Um latente Steuern festzustellen, können zwei verschiedene Konzepte verwendet werden. Anhand dieser Konzepte entscheiden Sie, ob latente Steuern vorliegen oder nicht.

Das Timing-Konzept

Dieses Konzept basiert auf der Gewinn- und Verlustrechnung und wertet auch nur die Daten dieser aus. Um herauszufinden, ob latente Steuern vorliegen, betrachten Sie also ausschließlich die GuV der Handelsbilanz und der Steuerbilanz.

Bei dieser Betrachtung werden lediglich zeitlich begrenzte Differenzen berücksichtigt. Da die GuV als Grundlage dient, können Sie so außerdem nur erfolgswirksame Differenzen erfassen.

Das Temporary-Konzept

Diesem Konzept liegt die Bilanz zugrunde. Es werden somit nicht nur Differenzen erfasst, die sich auf den Erfolg auswirken, sondern auch solche, die keinen Effekt darauf haben.

Eine Bedingung gibt es allerdings: Die Differenzen müssen zu einem Aufwand oder einem Ertrag führen, wenn sie aufgelöst werden. Mit diesem Konzept können temporäre, quasi-permanente und permanente Differenzen erfasst werden.

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