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Reverse-Charge-Verfahren: Definition, Vorteile & Anwendung

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Lea Friedel

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14.08.25

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Reverse-Charge-Verfahren: Zwei Länderflaggen geben einander ein Geschenk mit der Aufschrift "VAT".

Reverse Charge Verfahren in Kürze erklärt

  • Das Reverse-Charge-Verfahren ist die Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG.

  • Dabei zahlt nicht das leistende Unternehmen die Umsatzsteuer, sondern der Leistungsempfänger.

  • Es gilt im B2B-Bereich, zum Beispiel bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen, Bauleistungen oder bestimmten Waren.

  • Das Verfahren reduziert Verwaltungsaufwand und erhöht die Steuersicherheit.

  • Mit einer Rechnungsmanagement-Software wie Candis kann das Reverse-Charge-Verfahren abgebildet und Rechnungen korrekt verarbeitet werden.

Was ist das Reverse-Charge-Verfahren?

Das Reverse-Charge-Verfahren – auch Umkehrung der Steuerschuldnerschaft genannt – ist eine Sonderregelung im Umsatzsteuerrecht nach § 13b UStG. Der entscheidende Unterschied: Nicht der leistende Unternehmer zahlt die Umsatzsteuer, sondern das empfangende Unternehmen.

Für die Praxis bedeutet das: Der Dienstleister oder Lieferant stellt seine Rechnung ohne Umsatzsteuer aus. Das empfangende Unternehmen berechnet die Steuer selbst, gibt sie in der Umsatzsteuervoranmeldung an und führt sie an das Finanzamt ab. Ist es zum Vorsteuerabzug berechtigt, kann der Betrag gleichzeitig wieder als Vorsteuer geltend gemacht werden – für viele Unternehmen ist der Vorgang dadurch steuerlich neutral.

Eingesetzt wird das Verfahren vor allem im B2B-Bereich, etwa bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen, Bauleistungen oder bestimmten Warenlieferungen. Ziel ist es, Umsatzsteuerbetrug zu verhindern und die Abwicklung einfacher zu machen. Wichtig ist dabei, ob der leistende Unternehmer seinen Sitz im EU-Ausland oder in einem Drittland hat, da hier unterschiedliche Regeln gelten können.

Wann gilt das Reverse-Charge-Verfahren?

Das Reverse-Charge-Verfahren kommt immer dann zum Einsatz, wenn bestimmte Leistungen zwischen Unternehmen erbracht werden. In Deutschland sind die Anwendungsfälle in § 13b Abs. 2 UStG geregelt. Dazu gehören unter anderem:

  • Bau- und Gebäudereinigungsleistungen

  • Dienstleistungen von Unternehmen mit Sitz im Ausland

  • Lieferungen bestimmter Metalle und Edelmetalle wie Gold

  • Lieferung von Gas und Elektrizität

  • Umsätze nach dem Grunderwerbsteuergesetz

  • Lieferung bestimmter elektronischer Geräte wie Mobiltelefone, Tablets oder Spielekonsolen

In der Praxis betrifft das vor allem grenzüberschreitende Geschäfte im B2B-Bereich. Je nach Land und Leistung können zusätzliche Sonderregeln gelten, sodass sich im Zweifel eine steuerliche Beratung empfiehlt. Eine ausführliche Übersicht zu speziellen Fällen findest du in unserem Artikel zum Reverse-Charge-Verfahren bei Drittländern.

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Vorteile des Abzugsverfahrens

Das Reverse-Charge-Verfahren bringt sowohl für Unternehmen als auch für Finanzbehörden klare Vorteile.

  • Weniger Betrug: Karussell- und Kettenbetrug werden verhindert, weil die Steuer nicht mehr beim Leistenden anfällt.

  • Einfachere Abwicklung: Gerade bei grenzüberschreitenden Leistungen müssen ausländische Anbieter nicht extra mit dem deutschen Finanzamt abrechnen.

  • Liquiditätsvorteil: Unternehmen zahlen die Umsatzsteuer nicht an den Lieferanten, sondern verrechnen sie direkt in ihrer Umsatzsteuervoranmeldung.

  • Gleiche Wettbewerbsbedingungen: Unternehmen in der EU unterliegen den gleichen Regeln, was internationale Geschäfte fairer macht.

Mögliche Nachteile

Trotz der Vorteile kann das Verfahren auch Herausforderungen mit sich bringen.

  • Komplexität: Die Regeln unterscheiden sich je nach Land und Leistung, was für Unternehmen oft schwer zu überblicken ist.

  • Mehr Verwaltungsaufwand: Gerade bei der Umstellung müssen Prozesse angepasst und Rechnungen sorgfältig geprüft werden.

  • Cashflow-Risiken: Wenn die Vorsteuererstattung verzögert wird, kann das kurzfristig die Liquidität belasten.

Gilt das Reverse-Charge-Verfahren auch für Kleinunternehmer?

Für Kleinunternehmer nach § 19 UStG gilt das Reverse-Charge-Verfahren grundsätzlich nicht.

Erhalten Kleinunternehmer jedoch Leistungen aus dem Ausland, sind sie verpflichtet, die Umsatzsteuer im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens selbst an das Finanzamt abzuführen. Da sie aber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, können sie die Steuer nicht wieder geltend machen. In der Praxis bedeutet das eine echte Belastung, weil die Umsatzsteuer aus eigener Tasche gezahlt werden muss.

Gerade deshalb sollten Kleinunternehmer bei grenzüberschreitenden Leistungen besonders sorgfältig prüfen, ob das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung kommt. In vielen Fällen kann es sinnvoller sein, Leistungen im Inland zu beziehen.

Ausnahmen und Sonderfälle beim Reverse-Charge-Verfahren

Das Reverse-Charge-Verfahren gilt nicht für alle Leistungen und ist in den jeweiligen Gesetzen genau geregelt. In einigen Fällen kommt es daher nicht zur Anwendung.

Beispiele für Ausnahmen sind:

  • Vermietung und Verpachtung von Immobilien

  • bestimmte in § 3a Abs. 11a UStG genannte Leistungen

  • einzelne nationale Leistungen, bei denen die Steuerschuld nicht umgekehrt wird

Hinzu kommen Sonderfälle, die besondere Aufmerksamkeit erfordern:

  • Kleinunternehmer nach § 19 UStG müssen bei Leistungen aus dem Ausland die Umsatzsteuer selbst abführen, können sie aber nicht als Vorsteuer geltend machen.

  • Drittländer wie Schweiz, USA oder Großbritannien haben eigene Regelungen, die teilweise stark von den EU-Vorschriften abweichen.

Unternehmen sollten sich deshalb immer mit den jeweils geltenden Vorschriften vertraut machen und im Zweifel steuerliche Beratung in Anspruch nehmen, um Fehler und finanzielle Nachteile zu vermeiden.

Was muss bei Reverse-Charge auf der Rechnung stehen?

Rechnungen im Reverse-Charge-Verfahren müssen besondere Angaben enthalten, damit sie den steuerlichen Vorgaben entsprechen. Wichtig ist vor allem, dass keine Umsatzsteuer ausgewiesen wird. Stattdessen muss die Rechnung einen Hinweis wie „Reverse Charge“ oder „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ enthalten.

Pflichtangaben im Überblick:

  • Hinweis auf das Reverse-Charge-Verfahren

  • keine inländische Umsatzsteuer

  • Umsatzsteuer-Identifikationsnummer von Leistendem und Leistungsempfänger

  • alle üblichen Pflichtangaben wie Rechnungsnummer, Datum, Leistungsbeschreibung und Entgelt

Praxisbeispiele für Reverse-Charge

Hier sind einige Situationen, in denen das Reverse-Charge-Verfahren zum Einsatz kommen kann:

  1. Innergemeinschaftliche Lieferungen: Bei einem Warentransport zwischen Unternehmen in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten kann die Steuerschuld auf das Erwerber-Unternehmen der Ware verlagert werden. Dieses muss dann die Umsatzsteuer in seinem eigenen Land abführen.

  2. Dienstleistungen im Ausland: Wenn ein Unternehmen aus einem Land Dienstleistungen für ein Unternehmen in einem anderen Land erbringt, liegt die Verantwortung zur Abführung der Umsatzsteuer beim Empfänger-Unternehmen der Dienstleistung.

  3. Bauleistungen: Im Bereich der Baubranche wird das Reverse-Charge-Verfahren häufig angewendet. Wenn ein Unternehmen Bauleistungen erbringt, wie z.B. Bauarbeiten, Montagen oder Renovierungen, kann der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer übernehmen und in seiner eigenen Steuererklärung angeben.

Weitere Sonderfälle findest du in unserem Artikel zum Reverse-Charge-Verfahren Schweiz.

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Fazit

Das Reverse-Charge-Verfahren ist ein wichtiges Instrument zur Vereinfachung der Umsatzsteuerabrechnung zwischen Unternehmen. Es ermöglicht eine effiziente Abwicklung von grenzüberschreitenden Transaktionen und hilft, Betrugsversuche im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer zu bekämpfen.

Unternehmen, die im internationalen Handel tätig sind oder im Baugewerbe operieren, sollten sich mit den nationalen Regelungen vertraut machen und das Reverse-Charge-Verfahren korrekt anwenden, um mögliche Risiken zu vermeiden.

Insgesamt leistet das Reverse-Charge-Verfahren einen wertvollen Beitrag zur Vereinfachung der Umsatzsteuerabrechnung und unterstützt Unternehmen dabei, den Anforderungen des internationalen Handels gerecht zu werden.

Candis und das Reverse-Charge-Verfahren

Rechnungen ohne ausgewiesene Umsatzsteuer erfordern besondere Aufmerksamkeit, da hier das Reverse-Charge-Verfahren gilt. Candis unterstützt Finanzteams dabei, solche Belege automatisch zu erkennen, korrekt weiterzuverarbeiten und sicher in die Buchhaltung zu übergeben. Durch die enge Anbindung an DATEV und ERP-Systeme werden alle relevanten Daten mit den richtigen Steuerschlüsseln übernommen.

Vorteile für Finanzteams mit Candis

  • automatische Erkennung und Erfassung von Reverse-Charge-Rechnungen

  • korrekte Übergabe mit passenden Steuerschlüsseln an DATEV/ERP

  • transparente Workflows für sichere Freigaben und Prüfungen

  • weniger manueller Aufwand und geringere Fehlerquote

  • Compliance-Sicherheit bei internationalen Geschäftsvorfällen

So behalten Unternehmen auch bei komplexen Rechnungsprozessen den Überblick und wenden das Reverse-Charge-Verfahren zuverlässig an.

Häufig gestellte Fragen zum Reverse-Charge-Verfahren

  • Das Reverse-Charge-Verfahren ist eine Spezialregelung im Umsatzsteuerrecht, nach der nicht das leistende Unternehmen, sondern das leistungsempfangende Unternehmen die Umsatzsteuer entrichten muss.

  • In der Regel wird das Reverse-Charge-Verfahren bei grenzüberschreitenden Lieferungen und steuerpflichtigen anderen Leistungen angewendet.

  • Das Reverse-Charge-Verfahren gilt nicht weltweit einheitlich, sondern wird in jedem Land unterschiedlich geregelt. In der EU ist die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG klar definiert und findet insbesondere bei grenzüberschreitenden B2B-Leistungen Anwendung. In Drittländern wie der Schweiz, den USA oder Großbritannien gibt es hingegen eigene Vorschriften, die teilweise deutlich von den europäischen Regelungen abweichen. Unternehmen sollten sich daher immer mit den jeweiligen nationalen Bestimmungen vertraut machen und im Zweifel steuerliche Beratung hinzuziehen, um Reverse-Charge-Fälle korrekt abzuwickeln.

  • Unternehmen sollten sich mit den nationalen Regelungen und Vorschriften vertraut machen, um das Reverse-Charge-Verfahren korrekt anzuwenden. Eine genaue Dokumentation der Transaktionen ist wichtig, um mögliche Fehler zu vermeiden. Es ist ratsam, sich von einer Steuerberatung oder der zuständigen Steuerbehörde beraten zu lassen, um sicherzustellen, dass das Verfahren ordnungsgemäß angewendet wird und rechtliche Konsequenzen vermieden werden.

  • Beim Reverse-Charge-Verfahren wird die Steuerschuld vom leistenden Unternehmen auf den Leistungsempfänger übertragen. Das heißt: Nicht der Dienstleister oder Lieferant stellt die Umsatzsteuer in Rechnung, sondern das empfangende Unternehmen muss die Steuer selbst berechnen, in seiner Umsatzsteuervoranmeldung angeben und an das Finanzamt abführen. Gleichzeitig kann die Steuer – sofern Vorsteuerabzug besteht – im selben Schritt wieder als Vorsteuer geltend gemacht werden.

  • Das Verfahren läuft in der Praxis in mehreren Schritten ab.

    1. Der Leistende stellt eine Rechnung ohne Umsatzsteuer aus und vermerkt „Reverse Charge“ oder „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“.

    2. Das empfangende Unternehmen berechnet die Umsatzsteuer selbst.

    3. Der Betrag wird in der Umsatzsteuervoranmeldung angegeben und an das Finanzamt abgeführt.

    4. Ist das Unternehmen zum Vorsteuerabzug berechtigt, kann es die Steuer im gleichen Schritt wieder als Vorsteuer geltend machen.

    So wird der Vorgang für viele Unternehmen steuerlich neutral, die Verantwortung liegt jedoch beim Leistungsempfänger.

  • Das Reverse-Charge-Verfahren wurde eingeführt, um Umsatzsteuerbetrug bei internationalen Geschäften zu verhindern und Unternehmen die Abwicklung zu erleichtern. Indem die Steuerpflicht auf den Leistungsempfänger übergeht, werden Transaktionen transparenter und sicherer, insbesondere im grenzüberschreitenden B2B-Bereich.

  • Bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung geht es um den physischen Warenverkauf zwischen EU-Ländern. Die Lieferung ist im Ursprungsland umsatzsteuerfrei, die Steuer wird im Bestimmungsland vom Käufer abgeführt.
    Das Reverse-Charge-Verfahren beschreibt dagegen die steuerliche Behandlung solcher Vorgänge: Nicht der Lieferant, sondern der Leistungsempfänger schuldet die Umsatzsteuer.

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